Das Herzstück unseres Glaubens
Predigt von Weihbischof em. Helmut Bauer anlässlich der Wallfahrt der Pfarrei Mömbris nach Walldürn am 31. Mai 2010


„Liebe Wallfahrer, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Vor kurzem ging die Ausstellung des berühmten Turiner Grabtuches zu Ende. Hunderttausende Besucher, Gläubige aus aller Welt, haben dieses 4,50 Meter breite Tuch besichtigt und verehrt. Das Tuch zeigt Schweiß- und Blutspuren eines Mannes, der kurz vor seinem Tod noch viel Blutverlust erlitten haben muss. Über 70 Geißelhiebe, Durchstiche von Händen und Füßen und ein Seitenstich haben in diesem Grabtuch ihre Spuren hinterlassen. Auch wenn es keine letzte Sicherheit gibt: Diese Spuren können von dem stammen, den wir als Gottes- und Mariensohn verehren. Jedenfalls ist es nicht von der Hand zu weisen: Das Blut des Menschen Jesus hätte sich tatsächlich in diesem Turiner Grabtuch eingeprägt.

Hier in Walldürn verehren wir und die Gläubigen seit Jahrhunderten auch ein Bluttuch: Ein Korporale einer Eucharistiefeier, auf dem Blutspuren eingeprägt sind. Dies sind echte Blutspuren, aber nicht von einem gewöhnlichen Sterblichen, nicht von einem rein irdischen Menschen. In diesem Korporale sind eingeprägt die Blutspuren des eucharistischen Herrn, des auferstandenen Christus, Blutspuren vom Kelchblut einer Eucharistie. Diese Blutspuren aber sind vom geisterfüllten Wort des Einsetzungsberichtes geprägt: „Da nahm er den Kelch mit Wein, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: ‚Nehmt und trinkt, das ist mein Blut, das für euch vergossen wird“.

1. Liebe Schwestern und Brüder!

„Das ist mein Blut“ – Wie vor 700 Jahren die Feier der Eucharistie in Walldürn für einen Priester eine Herausforderung war, so ist es bis heute geblieben. Wir lesen zwar in der Heiligen Schrift: Am Abend vor seinem Leiden hat der Herr der Kirche den Auftrag gegeben „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Seit den Tagen der Apostel vollzieht die Kirche in Demut, Glaube und anbetender Liebe diesen Auftrag des Herrn zur Eucharistiefeier. Sie tut also etwas, was die Kirche selbst nicht erfunden hat, sondern was er – Christus – ihr aufgetragen hat. Sie stellt sich hiermit im priesterlichen Dienst dem österlichen Herrn zur Verfügung, der so allen Glaubenden sagen will: „Ja, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.“ Wir tun uns aber schwer, daran zu glauben.

Dennoch: Der Priester spricht keine Zauberworte. Die Kirche bittet um die Herabkunft des Heiligen Geistes, der allein das Wunder der Wandlung vollzieht: „Das ist mein Leib – das ist mein Blut.“ Das Wort „ist“ heißt normalerweise nicht: „das bedeutet“ oder ist ein Symbol. Es heißt vielmehr: So ist es. Schon vor 500 Jahren soll einer der protestantischen Reformatoren gesagt haben: „Wenn nur das Wörtchen ist nicht wäre“.

So sind Sie und alle Wallfahrer der Vergangenheit nicht nach Walldürn gepilgert, um ein Symbol oder auch ein historisches Stück Tuch zu bestaunen. Sie sind im Glauben gekommen: Hier haben wir das Blut des auferstandenen erhöhten Christus vor Augen, der ganzer Mensch war, Sohn Mariens, einer mit unserer Blutgruppe, der aber nun in der neuen Wirklichkeit der Auferstehung bei uns sein will.

Brot und Wein der Eucharistie sind also für uns Leib und Blut Christi, des auferstandenen Herrn. Vor einem Symbol brauche ich nicht in die Knie zu gehen, aber vor dieser österlichen Realität der wahren Gegenwart Christi schon. Wie sagte Thomas: „Mein Herr und mein Gott“. Und die Emmaus-Jünger: „Und sie erkannten ihn, als er das Brot brach“.

Warum soll der allmächtige Gott und Herr Jesus Christus nicht das vermögen: Wahrhaft gegenwärtig zu sein, um uns seine liebende Gegenwart zu schenken? Wir Menschen brauchen in unserer körperlich-geistigen Existenz greifbare, dinghafte Elemente und Formen, die Sichtbares und Unsichtbares umschließen, bis wir mit verklärtem Leib ihn in seiner ganzen Herrlichkeit schauen. Bis zur Wiederkunft Christi ist also in der Eucharistie die wirkliche, leibhafte Gegenwart unseres auferstandenen Erlösers zu erleben. Er bleibt so bei uns bis zum Ende der Tage. „Ewiges Licht“ stellen wir daher als Hinweis seiner Gegenwart im Tabernakel auf. Wir sind also wirklich beim Herrn – er bei uns, wenn wir kommunizieren oder vor ihm knien.

2. Liebe Schwestern und Brüder!

Ich weiß, dieser unser Glaube an die reale Gegenwart Christi in Brots- und Weinsgestalten ist für viele Menschen heute auch innerhalb unserer katholischen Glaubensgemeinschaft eine Provokation. Man bringt diesen Glauben sogar in die Nähe des Aberglaubens. Blut Christi – der Wein – ein Symbol? Symbol ja, aber doch nicht mehr, sagen also viele. Da gefällt mir schon besser, wie ehrlich einmal ein evangelischer Pfarrer formuliert hat: „Wenn dieses Brot, dieser Wein, Leib und Blut Christi sein sollte, dann dürfte ich ja nicht mehr die Anbetung verweigern.“

In der Menschwerdung Jesu Christi begegnet uns Gott gleichsam auf Augenhöhe mit uns - der Sohn Mariens in unserer sterblichen Gestalt. In der Eucharistie begegnet uns der auferstandene Jesus Christus gleichsam auf Augenhöhe. Wenn Gott in Jesus Christus sich als Kind Mariens schon so klein gemacht hat, warum bezweifeln wir seine Allmacht im Blick auf das Geschehen am Altar? „Bei Gott ist kein Ding unmöglich“ – das sagte der Engel schon am Anfang der Menschwerdung Jesu. Bei Gott ist kein Ding unmöglich, sagt uns gleichsam wieder der Engel durch den Glauben der Kirche – ja, so ist es. So gehen wir vor dem Herrn im Tabernakel, auf dem Altar, in die Knie. Aber wir stehen wieder auf, weil er sich selber auf diese Stufe, Augenhöhe, der sakramentalen Gestalten gestellt hat.

Und wir bedenken auch: Welche Würde ist das auch doch für die Materie, für Elemente der Schöpfung, für die Erde: Brot und Wein – Jesus nimmt sie mit hinein in seine Auferstehungswirklichkeit. Das aber ist keine tote Materie mehr. Auf sie ist Gottes Geist herabgerufen worden im Einsetzungsbericht der Kirche. Sie bleiben zwar in ihrer äußeren Gestalt Brot und Wein, „inwendig“ aber sind sie Jesus Christus selber. In ihnen, im gewandelten Brot und Wein, geben wir dem Herrn die Ehre. Darum gehen wir auch am kommenden Fronleichnamstag in die Welt mit Jesus Christus in Brotsgestalt. Wir zeigen auch damit, wie sehr die Schöpfung durch seine Gegenwart in den Elementen von Brot und Wein, durchdrungen von seinem Geist, geheiligt ist. Die Schöpfung erfährt höchste Ehre im Sakrament des Altares. Darum ist gerade auch der gläubige Christ beauftragt, Hüter und Bewahrer der Schöpfung zu sein, ihre Eigenwürde zu achten.

3. Liebe Schwestern und Brüder!

Kann Gott uns noch besser zeigen, als er es tut, wenn wir in diesem Glauben die heilige Kommunion empfangen? Der Auferstandene geht ganz in uns ein. Er geht mit uns unseren Lebensweg und ist so bei uns im Alltag unseres Lebens, in seiner österlichen Gestalt, bis er wiederkommt. Man kann von uns Katholiken und Orthodoxen wirklich nicht erwarten, dass wir das Wunder, das Geschenk der Eucharistie, der leibhaftigen Gegenwart des österlichen Herrn, nur als symbolhaftes Geschehen verstehen oder nur eine zwischenmenschliche Mahlgemeinschaft feiern. Wir wissen zwar, dass der Herr gesagt hat: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“, aber diese gläubige Begegnung mit Christus in der Brotsgestalt lässt uns wie Thomas sagen: „Mein Herr und mein Gott“.

Mit allen Wallfahrern nach Walldürn, mit den Wallfahrern heute und in früheren Jahrhunderten, bekennen wir uns in Dankbarkeit und Liebe zu diesem Herzstück unseres Glaubens. Wir beten und singen: „Jesus, du bist hier zugegen, wie der Glaube es bekennt“. Nichts kann also das wunderbare Geschehen einer heiligen Messe ersetzen: Es ist die beste Stunde des Tages. Wir nehmen Christus bewusst herein in unser Herz, in unsere Welt. So schenken wir der Welt durch die Mitfeier der heiligen Messe und der Kommunion das Beste, was ihren Weiterbestand und ihre Vollendung bewirken kann. Wir öffnen dem Herrn durch unseren Glauben einen Zugang zu dieser Welt, zur Menschheit. Der heilige Pater Pio soll einmal gesagt haben: „Die Welt kann einen Tag ohne Sonne existieren, aber nicht ohne die heilige Messe“.

Bei allem Verständnis und aller Notwendigkeit für neue seelsorgliche, pastorale Überlegungen, den Glauben wieder in die Herzen der Menschen zu verankern, sollten wir wissen: Die beste Art, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu stärken, ist, die Gläubigen wieder zu einer guten Sicht der heiligen Messe zu lenken. Wenn eine Mutter einmal mit ihrem Kind vor dem Allerheiligsten die Kniebeuge macht, dann ist dies beste Glaubensunterweisung. Gerade auch der Glaube und die Liebe zum Herrn im Sakrament hat Menschen zu Höchstleistungen in Kultur, Malerei, Musik, Architektur angeregt. Inmitten der Umbrüche und Zusammenbrüche in unserer Zeit ist unsere Mitte stabil: der Herr im Sakrament.

Liebe Wallfahrer, Schwestern und Brüder!

Euere Walldürn-Wallfahrt zum Heiligen Blut ist ein Bekenntnis zum großen Geheimnis unseres Glaubens. Es ist ein Bekenntnis zu Jesus, dem Auferstandenen. Es ist ein Bekenntnis zur großen Würde und Gnade der heiligen Messe, dieses Korporal zeigt darauf hin. Das Blut Christi lässt uns nicht blutlos, blutleer werden in Glaube, Hoffnung und Liebe. Vielmehr stärkt das Blut Christi uns, die Kirche, die Welt. Hier zeigt uns die Kirche den, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.

Amen.“

Veröffentlicht: 09.06.2010 pow@bistum-wuerzburg.de

Quelle Internet-Link: ==> http://tinyurl.com/6wn4ezy


(PH)